Markt für Bruderhähne schaffen

Das Töten von männlichen Küken ist in Deutschland seit Anfang des Jahres verboten. Zuvor wurden sie als Eintagsküken getötet und dienten als wertvolles Futter für Zootiere. Das klingt zunächst nach einem Riesenerfolg für den Tierschutz. So wird es auch vom Lebensmitteleinzelhandel beworben. Der setzt in vielen Fällen auf die Geschlechtsbestimmung im Ei. Die Verfahren sind aber aufwendig und werden nur bei 20 Prozent der Bruteier genutzt. Zudem gibt es bisher kein Verfahren, das bis zum 6. Bruttag eingesetzt werden kann, wie ab 2024 gefordert.

Die anderen 80 Prozent der Eier werden ausgebrütet. Das stellt die Brütereien und Junghennenaufzüchter vor enorme Herausforderungen. Wohin mit den Bruderhähnen? Es gibt bisher in Deutschland wenig Betriebe, die auf die Aufzucht der männlichen Tiere der auf Legeleistung gezüchteten Hennen spezialisiert sind. Und längst nicht alle Geflügelställe sind für diese sehr agilen Tiere geeignet. Bruderhähne haben andere Ansprüche an die Haltung als Masthähnchen. Die Ställe brauchen bei einer Umwidmung der Nutzung oft eine neue Genehmigung nach BImSchG – ein weiteres Hemmnis. Deshalb werden die jungen Hähne häufig in unseren Nachbarländern wie beispielsweise Polen aufgezogen. Oder die Eier werden in anderen EU-Ländern ausgebrütet und die männlichen Küken werden dort weiterhin getötet. Die Junghennen werden dann importiert. Damit ist in Sachen Tierschutz nichts gewonnen.

Und dann ist da noch der Markt. Der ist für das Fleisch der schmalbrüstigen Bruderhähne kaum vorhanden. Nach 12 bis 14 Wochen Mast bei hohem Futteraufwand entsprechen die Bruderhähne nicht den Vorstellungen der Verbraucher von einem Masthähnchen. Sie haben we­niger Brust, dafür mehr Schen­kel und das Fleisch ist deutlich dunkler. Die Vermarktung gelingt bisher in der Direktvermarktung am besten, erfordert aber viel Kommunikation mit den Kunden. Das reicht nicht: Auch der Handel muss mitziehen und den Mut haben, die Produkte zu listen und offensiv zu bewerben. Wer Tierschutz will, muss mehr tun als nur bereit zu sein, für das Ei einige Cent zusätzlich zu bezahlen, um die teure Aufzucht der Bruderhähne mitzufinanzieren.

Imke Brammert-Schröder – LW 8/2022