Null Transportstress

Nutztierhalter stecken viel Energie in eine tierwohlgerechte Haltung. Ab dem Zeitpunkt, an dem die Tiere den Hof in Richtung Schlachtbetrieb verlassen, geben sie jedoch zum Teil oder komplett aus der Hand, was weiter mit ihren Tieren passiert. Das gefällt vielen Betriebsleitern nicht. Aber Schlachtstätten in der Nähe fehlen: Wo es vor 20 Jahren noch alle paar Orte einen Metzger gab, der im eigenen Betrieb Tiere schlachtete, werden heute oft nur noch Schweine- und Rinderhälften im Schlachthof geordert und vor Ort zerlegt. Unterdessen werden die Transportwege aufgrund der immer stärkeren Konzentration der Schlachtbetriebe immer länger. Zu verantworten hat das maßgeblich die Politik, die die Anforderungen an die Schlachtung so hochgeschraubt hat, dass viele familiengeführte Metzgereibetriebe den Aufwand für die erforderlichen Investitionen nicht mehr stemmen konnten oder wollten. Seit geraumer Zeit geht die Stimmung in Politik und Gesellschaft in eine andere Richtung: Die regionale Vermarktung und eine Steigerung des Tierwohls in der Haltung und eine stressarme Schlachtung sind das Ziel. Viele Landwirte begrüßen das und würden gerne mitgehen. Weggefallene regionale Schlachtstrukturen wieder aufzubauen ist von Ausnahmen abgesehen jedoch illusorisch.

Ein kleiner Lichtblick ist eine neue EU-Verordnung, die voraussichtlich im Juli in Kraft treten wird: Die hofnahe Schlachtung einer kleinen Anzahl von Tieren wird möglich – es sind drei Rinder beziehungsweise sechs Schweine je Schlachtvorgang erlaubt. Vor allem für Mutterkuhhalter, die ihr Fleisch ab Hof vermarkten möchten, ist das interessant. Die Tiere dürfen auf der Weide nach einer Bolzenschussbetäubung geschlachtet und entblutet werden. Danach werden sie per Anhänger zu einem Schlachtbetrieb gebracht und dort zerlegt. Der Aufwand ist nicht unerheblich, es muss beispielsweise während des Schlachtvorgangs ein Tierarzt anwesend sein. Für kleine Betriebe mit wenigen Tieren, die ihr Fleisch hochpreisig direkt an den Verbraucher vermarkten können, ist es jedoch eine sehr gute Möglichkeit. Werbung machen kann man mit einer hofnahen, stressfreien Schlachtung allemal (Infos siehe Seite 30).

Marion Adams – LW 22/2021