Realitäten der Ernährung

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) bietet mit ihren neuen Empfehlungen mehr Angriffsfläche für Kritik der Landwirtschaft als zuvor. Bei ihren jetzt veröffentlichten Ernährungsempfehlungen werden nach eigener Darstellung mit Hilfe einer mathematischen Optimierung auch die Umwelt- und Klimawirkung des Verzehrs beziehungsweise der Erzeugung von Nahrungsmitteln berücksichtigt. Die Folge ist – im Vergleich zur vorhergehenden Empfehlung – eine sehr deutlich reduzierte Mengenempfehlung für den Konsum von Fleisch- und Wurstwaren sowie für Milchprodukte. Die DGE begibt sich damit auf ein neues Terrain. Bislang hat sie für die Konsumenten Leitlinien abgegeben, die vorrangig auf die Auswirkungen von Nahrungsmitteln und deren Verzehrsmengen auf die Physiologie und die Gesundheit der Konsumenten abhob. Aber der Druck, Fragen der Nachhaltigkeit und der Auswirkungen des menschlichen Tuns auf das Klima zu berücksichtigen – die ja für alle Bereiche berechtigt sind – ist natürlich auch hier groß. Gleichwohl verliert eine Empfehlung von Ernährungswissenschaftlern an Kontur, wenn sie immer mehr zu einer Forderung nach Fleischverzicht wird, die ja jeder Umweltverband erhebt.

Mögen die physiologischen Wirkungen von Nahrungsmitteln schon komplex sein, so sind die Umweltwirkungen der Tierhaltung und des Fleischkonsums noch viel komplexer und nicht per se klimaschädlich. Genannt seien nur die Nutzung von Grünland, von Nebenprodukten (auch aus der Produktion von veganen Lebensmitteln) und von für den menschlichen Verzehr nicht geeigneten Agrarrohstoffen in der Tierernährung.

Die Leitlinien der DGE werden vielfach beachtet, insbesondere in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung. Die neuen Regeln könnten deshalb reale Auswirkungen haben. Und doch waren die Empfehlungen der DGE auch bislang weit entfernt von der Realität, die ja angesichts einer zunehmenden Zahl von Übergewichtigen und Kreislaufkrankheiten nicht nur gut ist. Fraglich ist, ob eine weitere Entfernung von der Wirklichkeit, zu der natürlich auch der Geschmack und der Genuss gehören, die Fleisch- und Milchprodukte bieten, sinnvoll ist.

Cornelius Mohr – LW 11/2024