Shootingstar der Grünen Woche
Der Auftritt des neuen EU-Agrarkommissars Christophe Hansen hinterließ zu Beginn der Grünen Woche in Berlin den stärksten Eindruck. Während die Stimmung durch den Ausbruch der Maul- und Klauenseuche, durch die bereits entstandenen und die potenziellen wirtschaftlichen Schäden, eingetrübt war, hat der Luxemburger große Hoffnungen beim Berufsstand geweckt. Mit seinem Versprechen, Regularien abzubauen und dabei die Landwirte und nicht die Verwaltung im Fokus zu haben, mit seinem Bekenntnis zur Tierhaltung und zu einem starken EU-Agrarhaushalt sowie zur Gleichbehandlung der Wirtschaftsformen kam er bei den (landwirtschaftlichen) Zuhörern sehr gut an. Dass er – unter anderem – deutsch und vor allem die „Sprache der Landwirte“ spricht – Vater und Bruder sind Bauern – vermittelte eine Nähe, die der Berufsstand lange nicht mehr von einem Kommissar verspürt hat. Hinzu kommen seine ungekünstelte Art und sein Witz. Die Verbandsvertreter waren begeistert. Zum Tragen kommt dabei auch, dass sein Vorgänger, der Pole Wojciechowski in seinem Amt blass blieb und Gestaltungswillen vermissen ließ.
Die Chancen für Verbesserungen im Sinne der landwirtschaftlichen Betriebe stehen nicht schlecht. Bei der Umsetzung einer Politik, die auf mehr Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe, Ernährungssicherheit und auf Umweltschutz im Einklang mit der Landwirtschaft setzt, kann der EVP-Politiker und studierte Geo- und Umweltwissenschaftler auf eine Mehrheit im EU-Parlament bauen. Unterdessen ist der Agrarkommissar nicht mehr allein für das Ressort zuständig. Durch die neue Organisationsstruktur der Kommission können insbesondere die Exekutiv-Vizepräsidenten stärker Einfluss nehmen, etwa der Kommissar für Gesundheit und Tierschutz Oliver Varhelyi oder der Vizepräsident für Kohäsion und Reformen Raffaele Fitto. Über allen steht die Präsidentin von der Leyen, die durch die Überschneidung der Zuständigkeiten in ihrem Amt noch mehr Macht hat. In einigen Wochen wird Hansen laut Auftrag von der Leyens die Visionen für den Agrarsektor vorstellen, unter Einbeziehung der Ergebnisse des strategischen Dialogs. Dann wird noch klarer, was die Kommission vorhat.
Cornelius Mohr – LW 4/2025