Vernünftige Lösung in letzter Minute

Bei einem Scheitern der Verhandlungen über ein Handels- und Kooperations-Abkommen zwischen der EU und dem aus der Gemeinschaft ausgeschiedenen Vereinigten Königreich hätten beide Seiten einen enormen Schaden erlitten. Der Druck auf die Verhandlungsführer war deshalb so groß, dass schließlich die Vernunft gesiegt hat und in der letzten Minute ein guter Kompromiss zustande gekommen ist.

Die deutsche Agrar- und Ernährungswirtschaft wird davon profitieren. Sie hat im Jahr 2019 Produkte im Wert von 4,7 Mrd. Euro auf die britischen Inseln exportiert, das entspricht laut Situationsbericht des Deutschen Bauernverbandes 6 Prozent an den gesamten Agrarexporten. Gleichzeitig wurden Agrargüter im Wert von 1,6 Mrd. Euro von den Inseln nach Deutschland importiert. Somit ist das Vereinigte Königreich für die Bundesrepublik das Land mit dem größten Nettoagrarexport-Saldo. Vor allem Getreide-, Fleisch- und Milchprodukte werden auf die britischen Inseln exportiert. Wäre es zu keiner Vereinbarung gekommen, wären beispielsweise Zölle von 40 Prozent auf Käse fällig gewesen. Mit dem Abkommen aber gibt es auch künftig weder Grenzabgaben noch Importquoten. Was allerdings den Export verteuern wird, sind die zusätzlichen Importformalitäten und -prüfungen.

Die bei anderen Freihandelsabkommen von landwirtschaftlicher Seite gestellte Frage nach der Einhaltung von gleichwertigen Produktions- und Qualitätsstandards ist ebenfalls, zumindest was das gegenwärtige Niveau betrifft, gelöst.

Aber auch künftig werden die Briten agrar- und umweltpolitisch eher in die gleiche Richtung wie die EU marschieren. Vor kurzem hat die Londoner Regierung mit ihrem angepeilten „Weg zu nachhaltiger Landwirtschaft“ die nach eigener Einschätzung tiefgreifendsten agrarpolitischen Veränderungen seit 50 Jahren angekündigt, bei denen Umweltstandards, die Tiergesundheit und das Tierwohl verbessert und die Kohlendioxid-Emissionen verringert werden sollen. Direktzahlungen sollen dabei massiv zugunsten einer Honorierung von Umwelt- und Tierwohlleistungen abgeschmolzen werden. Auch die britischen Bauern haben also ihren Green Deal.

Cornelius Mohr – LW 1/2021