Weniger in der Berliner Blase

Bis Redaktionsschluss am Dienstagnachmittag war nicht bekannt, wann es eine weitere Abstimmung in Bundestag zur Wahl des Bundeskanzlers geben wird. Am Montagabend, bei der Durchsicht der nun auch von der SPD nominierten Minister, herrschte der Eindruck und die Hoffnung vor, dass keine schlechte Auswahl getroffen wurde und dass die Kabinettsmitglieder künftig pragmatisch zusammenarbeiten. Der designierte Agrarminister, der niederbayerische Metzgermeister Alois Rainer, ist dem ländlichen Raum verbunden, er war 18 Jahre Bürgermeister einer kleinen Gemeinde, er weiß, was Unternehmertum bedeutet, und er scheut sich nicht, für den Fleischkonsum zu werben, auch wenn ihm dies erwartbare Kritik einbringt. So kann er ein Landwirtschaftsminister nach dem Geschmack der Landwirte werden. Mit Spannung wurde die Nominierung des Umweltministers erwartet, weil dieses Ressort stark in die Flächenbewirtschaftung und Flächenverfügbarkeit hineinregieren kann und weil es zwischen Agrar- und Umweltressort in den Zeiten der großen Koalitionen einen fast permanenten Streit gab.

Der nominierte Minister, der Sozialdemokrat Carsten Schneider, ist bislang in Umweltfragen ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Als Angehöriger des Seeheimer Kreises ist der Sozialdemokrat allerdings mutmaßlich wirtschaftsorientierter als sein Parteikollege und eher linke Umweltpolitiker Matthias Miersch, dessen Nominierung viele (Landwirte) erwartet (befürchtet) hatten. Die Hoffnungen auf ein pragmatischeres Ministerium werden allerdings durch die Nominierung von Jochen Flasbarth (SPD) als beamteter Staatssekretär eingetrübt. Eine Kontroverse zwischen Agrar und Umwelt kann wegen Fragen unter anderem über die notwendige Regulierung des Wolfs, des Düngerechts, des Naturwiederherstellungsgesetzes, des Klimaschutzes, der Erneuerbaren Energien und des Pflanzenschutzes schnell aufflammen, trotz Koalitionsvertrag.

Insgesamt sind viele neue, bislang nicht aus den Nachrichten bekannte Gesichter nominiert worden. In der Tendenz sind die Ministerinnen und Minister (in spe) weniger in der Berliner Blase sozialisiert, was für den ländlichen Raum gut sein kann.

Cornelius Mohr – LW 19/2025