Wieder ein einzigartiges Weinjahr
Jedes Jahr bringt andere Witterungsbedingungen, die die Entwicklung der Vegetation und damit den Weinjahrgang beeinflussen. Das macht den Winzerberuf spannend, aber zunehmend auch herausfordernder. Nach der extrem langen Trockenheit kam die flächendeckende Regenperiode in der zweiten Julihälfte gerade noch recht, wobei es regional große Unterschiede bei den Niederschlagsmengen gab. Die Wasserversorgung reicht nun bis zur Reife aus. Es droht Fäulnis durch kompakte Trauben, die sich abdrücken. Derzeit besteht allgemein kein Druck durch Kirschessigfliegen, aber bei weiterhin mäßigen Temperaturen und Schauern kann sich das schnell ändern, sodass dann die roten Sorten engmaschig zu kontrollieren sind.
Große Sorgen bereitet dieses Jahr der hohe Oidiumdruck, der teilweise zu massivem Befall geführt hat. Die Mittel behielten ihre Wirkung, wie engere Spritzabstände zeigen. Anfang Juli breitete sich Oidium in einer bisher noch nie dagewesenen Dimension aus, wenn nicht direkt zuvor behandelt wurde. Der Zeitpunkt der Behandlung war wohl entscheidend.
Bei den frühreifen Sorten in frühen Regionen beschleunigt die gute Wasserversorgung die Entwicklung bei wieder ansteigenden Temperaturen. Voraussichtlich wird die Lese ab Ende August mit Sektgrundwein und Federweißem starten. So bleiben den Winzern nur wenige freie Tage zwischen der Abschlussbehandlung der späten Sorten und dem Lesebeginn der frühen Sorten.
Derzeit sieht es in den Weinbergen nach einer sehr großen Ernte aus, sodass eine Negativvorlese vor dem Vollernter empfohlen wird. Statt nicht vermarktbare Übermenge zu erzeugen, macht es Sinn, das Kontingent mit einwandfreier Qualität zu füllen, die Erträge geben es her.
Große Sorge macht auch der stockende Absatz am Markt. Die Kellereien stehen unter sehr hohem wirtschaftlichen Druck, dem Handel Ware zu billigen Preisen anbieten zu können, da die Kosten für Löhne, Flaschen und Verschlüsse inflationär gestiegen sind und ausländische Weine auf den Markt drücken. Es wird ein Verdrängungswettbewerb stattfinden. Letztlich erwartet der Kunde auch im Billigsegment Basisqualität.
Bettina Siée – LW 33/2023