Zittern um die neue Ernte
Die kühlen Temperaturen der letzten beiden Wochen haben die Entwicklung der Reben und Obstbäume nach dem sehr frühen, raschen Austrieb in der ersten Aprilwoche abrupt zum Stehen gebracht. Mit dem Rebaustrieb und der Obstblüte knapp 14 Tage vor dem langjährigen Mittel – vergleichbar mit 2014 – begann für die Winzer und Obstbauern die aufregende Zeit mit drohender Spätfrostgefahr. Sie hält an bis zu den Eisheiligen Mitte Mai.
In der Nacht zum 22. und 23. April sanken die Temperaturen unter den Gefrierpunkt, sodass es in bekannten gefährdeten Frostlagen zu Schäden kam. Im nördlichen Rheinhessen, in den tiefen Lagen entlang des Rheins zwischen Mainz und Worms, in der Nordpfalz um Kindenheim und Grünstadt und von der Nahe werden erfrorene Weinberge gemeldet. Das gesamte Ausmaß der Schäden konnte zu Redaktionsschluss noch nicht beurteilt werden. Die Obstbauberatung in Hessen sprach von maximal minus 6 °C, es werde Schäden in vielen Obstkulturen inklusive Kirschen und Apfel geben, auch Erdbeeren könnten betroffen sein.
Auch in Rheinland-Pfalz rechnet die Obstbauberatung nicht mit einem Totalverlust, einzelne Lagen und Betriebe könnten jedoch stark betroffen sein. Manchem Obstbauer wird die Ausdünnung erspart. Alte, bewährte Weinbergslagen blieben verschont. Eine Theorie besagt, dass die gute Wasserversorgung der Böden Bodenwärme nachlieferte und vor starker Auskühlung schützte. Auch, dass die Triebe selbst trocken waren und keine völlige Windstille eintrat, habe größere Schäden verhindert. In den Senken zeigen sich verbräunte Triebspitzen, die sich auch wieder erholen können. Auch Beiaugen werden austreiben, die noch eine, wenn auch kleinere, Ernte bringen können. Die Entwicklungsstadien werden dann unterschiedlich sein, was den Pflanzenschutz und die Ernte erschwert.
Während im Weinbau oft noch Zeit bleibt, die Frostschäden auszugleichen, gibt es im Obstbau keine Alternative. Nur einmal blüht der Baum und dann sehr verschwenderisch, es gibt keine Beiaugen. Der warme Winter fordert somit bereits seinen Tribut und wird den Winzern und Obstbauern wieder ein anspruchsvolles Jahr bescheren.
Bettina Siée – LW 17/2024