Zwischen allen Stühlen
Der Agrarhandel hat sich vergangene Woche treffend beklagt, bei der Umsetzung des sogenannten Erntegut-Urteils des Bundesgerichtshofes zwischen allen Stühlen zu sitzen. Er muss sicherstellen, dass die von ihm angenommene Konsumware unter Einhaltung aller Sortenschutzvorgaben produziert wurde. Ansonsten kann er laut BGH-Urteil zu Unterlassungserklärungen und Strafzahlungen verpflichtet werden. Dieses Risiko muss der Handel verständlicherweise ausschließen. In der Praxis kann er das nur, wenn er dem Erzeuger eine entsprechende Erklärung abverlangt, um sich selbst abzusichern. Die Verbände des genossenschaftlichen und des privaten Agrarhandels empfehlen ihren Mitgliedern dabei eine sogenannte Textbaustein-Lösung. Dabei sichert der Landwirt zu, sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten. Freude kommt bei den Erzeugern als Geschäftspartner des Handels dabei keine auf. Knackpunkt ist die in den Textbausteinen vorgesehene Vertragsstrafe, die der Landwirt zu leisten hat, sollte sich herausstellen, dass seine Angaben falsch waren. Sehr fraglich ist, ob dies nach dem Urteil überhaupt notwendig ist. Andererseits ist es auch richtig, dass der Landwirt nichts zu befürchten hat, wenn er zu der großen Mehrheit derjenigen gehört, die entweder Z-Saatgut nutzt oder den Nachbau geschützter Sorten anmeldet und bezahlt. Die Saatgut-Treuhand als Vertreterin der Züchter fordert mit einer kompletten Offenlegung einen sehr viel bürokratischeren Weg. Sie will, dass der Landwirt seine Anbaudaten, die Belege über das eingesetzte Saatgut und die Nachbauerklärung in eine Datenbank einträgt, um dann eine Bescheinigung über die Rechtmäßigkeit des Anbaus zu erhalten. Welche Angaben zu machen sind und welches Verfahren sich durchsetzt, werden gegebenenfalls neue Gerichtsurteile entscheiden.
Die Züchter haben mit dem Erntegut-Urteil im Handel einen Flaschenhals gefunden, der zusätzlichen Druck auf diejenigen ausübt, die den Sortenschutz nicht beachten oder aber in dem Sortenschutz einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit sehen. Klar ist aber, dass die Arbeit der Züchter und der Zuchtfortschritt ihren Preis haben und die Honorierung mit möglichst geringem bürokratischen Aufwand betrieben werden muss.
Cornelius Mohr – LW 23/2024